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Soen Yu - Atemübungen | Teil 1

Added on by Sven Mahr | Zen Coaching.

Soen Yu - Atemübungen von Zen Meister Seung Sahn

Um wahre Gelassenheit, tiefen Frieden und Entspannung realisieren zu können, müssen wir lernen Körper und Geist loszulassen. Dieses Loslassen kann natürlich auch ganz spontan passieren, wenn wir z.B. eine schöne, wohltuende Erfahrung machen, die es uns ermöglicht total zu entspannen. Doch wie lang hält das an - 10 Minuten, eine Stunde, einen Tag? Meist nicht so lang,  denn dann ändert sich die Situation und die Entspannung verschwindet schnell wieder. "Ent-Spannung" ist für viele Menschen an spezielle äußere Faktoren geknüpft, die dann Entspannung erst ermöglichen.

Was müssen wir tun, damit wir auch im größten Trubel entspannt und gelassen bleiben können?

Damit das möglich wird, ist es nötig Körper und Geist loszulassen. Dazu müssen wir oft erst einmal lernen, wirklich komplett im eigenen Körper anzukommen. Ankommen und in Ruhe genau da bleiben, wo wir sind … still verweilen ... ohne etwas bestimmtes zu tun, als einfach nur... sein.  

Klingt simpel, und ist plötzlich gar nicht so einfach, wenn man mal versucht eine volle Stunde ganz still zu sitzen, wach zu bleiben und zu entspannen. Oh, da wird es plötzlich laut im Kopf, Ärger taucht aus dem Nichts auf und der Körper schmerzt hier und da, die Beine schlafen ein und alles andere ist besser, bloß nicht mehr hier still sitzen müssen!!

Wenn wir vollkommen in unserem Körper angekommen sind, wenn wir nicht mehr gegen die physischen, mentalen und emotionalen Befindlichkeiten unseres Leibes kämpfen, können sich alle Spannungen im Bewusstsein und damit auch auf der physischen Ebene lösen. Dann können wir Körper und Geist tatsächlich loslassen. Dieses Loslassen ist ein tiefes Sich-Öffnen für das, was tatsächlich Hier und Jetzt ist. Wenn Körper und Geist vergessen, losgelassen sind, gibt es kein Heute, Morgen oder Gestern - nur noch die unfassbare Fülle des Moments, die direkt mit allen Sinnen erfahrbar ist. Reine, ungehinderte, unendliche Achtsamkeit, reines Ge-wahr-sein. Und das ist zutiefst heilsam, erholsam und - entspannend.

Ein wichtiges Mittel, um achtsam im eigenen Körper anzukommen, ist der eigene Atem. Deshalb möchte ich hier eine paar einfache und sehr effektive Atemübungen vorstellen, die jeder leicht lernen und praktizieren kann. Diese Atemübungen heißen „Soen Yu“ und wurden von Zen Meister Seung Sahn Sunim (1927 - 2004) gelehrt und von vielen seiner Schüler weitergetragen.

In diesem Video erklärt Zen Meister Dae Bong Sunim, diese Atemübungen im Detail (auf Englisch) und zum Mitmachen:

Soen You (Zen Wind) are breathing exercises created by Zen Master Seung Sahn in 1983 in order to help their zen students to balance their Zen meditation practice.

Nachfolgend habe ich die Übungen und die Informationen dazu noch einmal auf Deutsch zusammengefasst.


Allgemeines zu den Soen Yu Übungen:

Bei den Übungen im Sitzen, sitze bequem in stabiler Meditationshaltung, wie es Dir entspannt möglich ist. Lockere die Kleidung so, das Du bequem den Bauch einziehen und herausstrecken kannst.

Bei Übung im Stehen sind die Füße parallel und schulterbreit. Das Gesäß fällt locker nach unten und die Knie sind leicht gebeugt. Achte auf einen geraden Rücken und einen festen stabilen Stand.

Soen Yu sind Atemübungen, die aus dem Unterbauch kommen. Jede Übung fokussiert auf die Atmung aus dem Unterbauch, d.h. beim Einatmen wird der Unterbauch leicht herausgestreckt, beim Ausatmen wird der Unterbauch eingezogen.

Ziel dieser Übungen ist es, zu lernen, vollkommen aus dem Unterbauch zu atmen, so dass die Bewegungen der Bauchdecke beim Ein- und Ausatmen nur den Unterbauch bewegen.  

Der Unterbauch ist der Bereich unterhalb des Nabels. 4 Fingerbreit unterhalb des Nabels liegt ein Energiepunkt, der im Koreanischen Danjeon heißt, was „Energiegarten“ bedeutet. Hier bündeln sich mehrere Nerven- und Energiekanäle.


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Wie übe ich Soen Yu?

Es wird empfohlen, täglich zwischen 10-15 min zu üben. Damit die Übungen ihre Wirkung entfalten können und sich der Körper darauf einstellen kann, sollte man versuchen 2-3 Monate am Stück zu üben. Dann ist es möglich, ein starkes Danjeon bzw. Körperzentrum zu entwickeln.

Übe verschiedene Übungen, die Dir gefallen und praktiziere dann jede Übung einzeln für 4-5 min oder praktiziere eine Übung für 10-15 min.

 

Was gibt es bei der Übung zu beachten?

Übe langsam und mit Achtsamkeit. Wenn der Bauch schmerzt, dann presst Du zu sehr oder Du ziehst den Bauch zu stark ein. In diesem Fall, versuche entspannter und lockerer zu üben.

Die Atmung erfolgt durch die Nase. Lass die Atmung ganz natürlich und ohne Druck fließen. Wenn möglich, sollte die Ausatmung länger als die Einatmung sein. Atme langsam und vollkommen aus, so dass am Ende die Einatmung ganz von selbst wie ein Reflex erfolgt.  

Richte Deine Achtsamkeit auf den Atem. Versuche Deine Achtsamkeit immer wieder geduldig auf den Unterbauch zu lenken und spüre, wie sich die Bauchdecke durch den Atem hebt und senkt. Verweile dort mit Deiner Achtsamkeit.

Wenn sich Kopfschmerzen oder Schwindel einstellen, der Kopf rot oder heiß wird, dann ist die Energie nach oben gestiegen. Das kommt von zu viel Anstrengung und Druck. In dem Fall sollte man die Übungen beenden und sich anderen Dingen zuwenden. Die Energie geht dann von alleine wieder nach unten.

Wenn Du versucht die Energie bewusst mit Nachdruck nach unten zu bewegen oder zu pressen, wird das nur das Gegenteil bewirken und die Energie wird aufsteigen. Also immer wieder alle auftauchenden Gedanken und Emotionen sanft loslassen und mit Geduld und in Ruhe üben.


Soen Yu - Vorbereitung (im Sitzen)

Lege die Finger der rechten Hand auf das Danjeon (4 Fingerbreit unterhalb des Nabels).

Einatmen:        
- Unterbauch sanft herausstrecken

Ausatmen:
- Unterbauch einziehen und vollkommen ausatmen            
- dabei mit den Fingern leicht auf Danjeon drücken und der Bewegung nachspüren


Soen Yu - Übung 1 (im Sitzen)

Sitze entspannt in einer Lotusposition, im lockeren Schneidersitz oder auf einem Stuhl.
Lege die Hände entspannt auf den Knie.

Einatmen:       
- die Arme gehen nach oben
- die offenen Handflächen zeigen nach unten
- die Brust weit öffnen
                        
Ausatmen:         
- langsam die Arme senken, bis die Hände wieder auf den Knien liegen


Soen Yu - Übung 2  (im Sitzen)

Sitze entspannt in einer Lotusposition, im lockeren Schneidersitz oder auf einem Stuhl.
Die Hände sind gefaltet (wie in Gebetshaltung) vor der Brust.

Einatmen:       
- die Arme und Hände gehen gerade nach vorn und öffnen sich langsam
- die Handflächen zogen nach vorn, die Hände berühren sich und die Fingerspitzen zeigen nach oben (wie als ob man jemanden stoppen will)

Ausatmen:         
- die Arme und Hände gehen die gleiche Bewegung rückwärts, zurück zur Ausgangsposition
- wichtig: erst wenn die Hände wieder vor der Brust sind, endet die Ausatmung


Soen Yu - Übung 3 (im Sitzen)

Sitze entspannt in einer Lotusposition, im lockeren Schneidersitz oder auf einem Stuhl.
Die Hände sind gefaltet (wie in Gebetshaltung) vor der Brust.

Einatmen:       
- die Hände gehen gerade nach oben und öffnen sich langsam
- wenn die Arme ausgestreckt sind, zeigen die Handflächen nach oben
- die Hand ist so abgewinkelt, dass die Handfläche nach oben und die Fingerspitzen nach hinten zeigen

Ausatmen:         
- die Arme und Hände gehen die gleiche Bewegung rückwärts, zurück zur Ausgangsposition
- wichtig: erst wenn die Hände wieder vor der Brust sind, endet die Ausatmung


Ich hoffe, das hilft Euch. Klick hier um zum 2.Teil zu kommen.

Wenn Ihr Fragen habt, schreibt in die Kommentare oder schickt mir eine Mail.

Spiritueller Winter – Rückkehr zum Innersten

Added on by Sven Mahr | Zen Coaching.
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Es ist schon kalt in Seoul, Korea. Früh am Morgen ist die Temperatur um den Gefrierpunkt. Der Himmel ist strahlend blau. Ginkobäume mit kräftigen gelben Blättern säumen die Strassen. Ein Café-Laden (ähnlich wie Starbucks) reiht sich an den anderen auf den Seouler Strassen. Korea produziert einige der besten und köstlichsten Grüntees der Welt, die außerhalb des Landes fast unmöglich zu bekommen sind. Doch das ganze Land scheint mittlerweile süchtig nach Kaffee.

Eine der erfolgreichsten Café-Ladenketten in Seoul heißt „coffee beans and tea leaf“, kurz "coffee bean" genannt (man merkt schon daran, dass Tee hier nur noch den 2. Platz belegt). Eine Trendwende, die schon vor vielen Jahren einsetzte. Der erste Café-Laden heißt club espresso und eröffnete 1990 in Seoul. Dort wird mittlerweile im großen Stil selber geröstet und vorzüglicher Kaffee in allen denkbaren Formen zubereitet.

Vor vielen Jahren wurde Zen Meister Seung Sahn gefragt, warum die Koreaner wohl plötzlich mehr Kaffee als Grüntee trinken, und er antwortete, da die Menschen immer mehr Fleisch essen, steigt auch das Bedürfniss nach Kaffee - als Ausgleich von Yin und Yang. In Europa dagegen sinkt der Fleischkonsum und die Nachfrage nach Grüntee ist gestiegen. Interessant wie sich in Ost und West die Interessen und Geschmäcker verschieben.

Ich suche mir ein kleines, noch leeres Cafe aus, in dessen erste Etage die Morgensonne hinein scheint. Ich mag diese kleinen ruhigen Winkel, die man hier mitten im modernen seouler Großstadttrubel finden kann.

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Übermorgen fahre ich nach Mu Sang Sa, einem wunderbar gelegenen Zen-Kloster/ Internationales Zen Center in den Bergen, wo ich den Winter in einem intensiven Meditations-Retreat (Klausur) verbingen werde. Hier hatte ich 2008 mein erstes 90 Tage Sommer Retreat absolviert. Meine Erfahrung damit hatte ich hier in einem Interview geteilt.

Vom 15.11.2013 -15.02.2014 findet in allen Zen-Klöstern in Korea das traditionelle 90 Tage Winter Retreat statt - idealerweise eine intensive Zeit der Stille, in der sich alle Teilnehmer zusammen ausschließlich der Zen-Praxis widmen und den Klosterbereich nicht verlassen. Wecken ist 3:00 Uhr morgens und 22 Uhr geht das Licht aus. Zen-Mönche in Korea absolvieren traditionell zwei dieser 90 Tage Retreats (korean.: Kyol Che) pro Jahr, eins im Sommer und eins im Winter.

90 Tage ohne die alltäglichen soziale Kontake. Im Retreat ist die zwischen-menschliche Kommunikation auf das absolute Minimum beschränkt. Wer will schweigt komplett und kommuniziert per Sift und Zettel, wenn nötig.

Mich für bedeutet dass, es gibt keinen Computer, kein Smartphone, kein Internet, keine Musik, keine Filme, keine lustigen Abende miteinander. Es gibt kein äußerliches Entertainment - nichts, das einen davon abhalten könnte, komplett mit sich selbst allein zu sein. Oha. Dabei sind wir es doch so gewohnt der Langeweile - bewusst oder unbewusst- ständig zu entfliehen. Ein Retreat ist eine große Chance, einfach nur zu sein und wenn man sich darauf einlassen kann, dann kann man unglaublich schöne, tiefe und öffnende Erfahrungen machen. Abgeschieden von der Auswelt in der Winterzeit - innen wie außen. Das mag manchen Menschen Angst machen und das ist völlig in Ordnung. So sehr ich mich auch auf dieses Retreat freue, auf diese seltene Chance, so sehr habe ich auch Respekt davor.

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Retreat bedeutet, sich selbst, dem eigenen urmenschlichem Zweifel mit größter Achtsamkeit begegnen, sich allem zu öffnen und alles loslassen, sich mit dem ganzen Leib dieser menschlichen Geworfenheit (wie Heidegger es mal so schön nannte) hingeben und das Innereste, den Urgrund des eigenen Selbst zu erforschen.

W A S bin I C H? ... W A S ist D A S?“


Adyashanti hat in einem seiner Bücher darüber in wundervollen, klaren Worten geschrieben und vergleicht intensive entschlossene Praxis mit dem Winter und den Qualitäten, die der Winter mit sich bringt:

If you touch the sacred quality of winter inside yourself—that quality of everything returning to its most essential form—you find yourself falling off the end of the mind and into openness.

You will start to experience this by not resisting the wintertime and just going with it as it opens you. It can be tremendously revealing, tremendously liberating to just return, return, return. It takes courage to do this. You want to ask, “Who will I be? Will it be okay?” But just return to the essential. When you find the courage to allow yourself to return to the essential, you are actually returning to the very root of your own self. That’s the fullness that winter has to offer ...

People feel so vulnerable and put up defenses. But putting up defenses is like walking out into the starry night and trying to wrap a little coat around vast infinite space. The vastness just flies out through the arms and the hood. You have this silly little coat out in the vast space and protect yourself inside it and think maybe someday you will open the buttons and be spiritually liberated. Probably not. It’s more likely that someday you will stop identifying with the silly little coat. Free yourself of all limiting identities and embrace the infinite.
— (aus Adyashanti / „Emptiness Dancing“ / Kapitel 7 - Radiant Core, Seite 55-65)

Ich bin im Frühjahr zurück in Deutschland.

Doch erstmal kommt der Winter.

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